Das neue Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz - ZwVbG

Ein persönliches Wort: Mit dem Beginn meiner juristischen Tätigkeit erlebte ich das Ende der Zwangsverwaltung von Immobilien in der DDR. Meine anwaltlichen Sporen verdiente ich mir mit der damals geltenden Zweckentfremdungsverbotsverordnung vor fast 20 Jahren. Als 2002 diese Norm außer Kraft trat, glaubte ich, dass die Zeiten staatlicher Regulierung beendet seien. Ich habe mich geirrt: Der Reigen beginnt von neuem.

Neues Zweckentfremdungsverbot in Berlin

 

Schlechte Nachrichten für Vermieter: Am 12. Dezember 2013 in Berlin ist ein neues Zweckentfremdungsverbotsgesetz in Kraft getreten. Nach 12 Jahren ohne entsprechendes Verbot ist es zukünftig nur noch sehr eingeschränkt möglich, Wohnungen als Geschäfts- oder Praxisräume zu vermieten oder als Ferienwohnungen zu nutzen. Selbst zurzeit bestehende Nutzungen, werden durch das Gesetz reglementiert.

 

Mit dem am 21. November 2013 verabschiedeten „Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“, kurz ZwVbG, beabsichtigt der Senat, die Verknappung insbesondere von mietgünstigem Wohnraum in Berlin zu vermeiden. Neben der Umwandlung von Wohnraum in Gewerberaum geht es vorrangig um eine Einschränkung der Ferienwohnungsnutzung, durch die angeblich bereits ca. 12.000 Wohnungen für dauerhafte Vermietungen nicht mehr zur Verfügung stünden. Daher darf Wohnraum in Berlin zukünftig nur noch mit Genehmigung des zuständigen Bezirksamtes zweckfremd genutzt werden; dies gilt gemäß § 2 ZwVbG insbesondere für folgende Fallgestaltungen:

 

  • die wiederholte Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung oder zur Fremdenbeherbergung,
  • die Verwendung von Wohnraum für gewerbliche oder berufliche Zwecke,
  • bauliche Veränderungen von Wohnraum, sodass dieser für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,
  • mehr als sechsmonatiger Leerstand und
  • Abriss von Wohnraum.

 

Die Umsetzung des Gesetzes in der Praxis erfordert jedoch noch die Veröffentlichung der am 21. Januar 2014 vom Senat vorgelegten Zweckentfremdungsverbot-Verordnung im Berliner Gesetz- und Verordnungsblatt, die Details des Zweckentfremdungsverbots regelt. Erst mit der Veröffentlichung dieser Verordnung wird der im Gestz benannte Stichtag festgeschrieben werden, d.h. jetzt noch mögliche Nutzungsänderungen werden dann verboten sein.

Da es in Berlin in den letzten 12 Jahren grundsätzlich möglich war, Wohnungen auch anderweitig zu nutzen, also z.B. nur unter den baurechtlichen Einschränkungen als Geschäftsräume oder Ferienwohnung zu vermieten, oder einfach leer stehen zu lassen, umfasst das neue Gesetz einige wichtige Übergangsregelungen:

  • Soweit eine Wohnung bereits als Ferienwohnung genutzt wird, kann diese Nutzung in den nächsten zwei Jahren fortgesetzt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese Nutzung in den nächsten drei Monaten beim zuständigen Bezirksamt angezeigt wird.

 

  • Soweit eine Wohnung bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung mehr als teilgewerblich als Geschäftsraum oder zu freiberuflichen Zwecken vermietet war, darf bis zum Auslaufen des Vertrages diese Nutzung fortgesetzt werden, es sei denn eine Geschäftsfortführung liegt vor.

 

Daneben trifft das Gesetz zahlreiche Ausnahmen vom grundsätzlich bestehenden Zweckentfremdungsverbot, z.B. bei Zweitwohnungen, Leerstand durch eine Sanierung/Modernisierung (max. 12 Monate), bei Härtefällen (wirtschaftliche Existenz des Mieters gefährdet), überwiegende öffentliche Interessen (z.B. Soziale-, Bildungs- oder Betreuungseinrichtungen), bei abrissreifen, nicht mehr mit vertretbarem Aufwand wieder herstellbaren Wohnräumen.

Die Ausnahmen hören sich zwar großzügig an, jedoch steht zu erwarten, dass das Land Berlin seine aus den 1980er und 1990er Jahren bekannte Rechtspraxis rigid fortsetzen wird. Genehmigungen für eine zweckfremde Nutzung wird es geben, aber nur zu hohen Ausgleichsabgaben. Es ist kein Geheimnis, dass die Zahlungen auf Grund der ehemaligen Zweckentfremdungsverbotsverordnungen einen erheblichen Anteil an den Einnahmen des Landes Berlin hatten. Wie hoch die Zahlungen auf Grund des neuen Gesetzes sein werden, wird in der in Kürze in Kraft gesetzten Verordnung geregelt werden.

 

Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz bestimmt umfangreiche Sanktionen und Eingriffsrechte. Wer künftig ohne die erforderliche Genehmigung Wohnraum zweckfremd nutzt, Auflagen oder Meldepflichten missachtet, kann mit einem Ordnungsgeld von bis zu 50.000 € belegt werden. Wird das normwidrige Verhalten dann immer noch fortgesetzt, kann die Verwaltungsbehörde die Wohnnutzung durch Zwangsräumungen durchsetzen, notfalls kann sogar das ganze Haus unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Gleiches gilt sinngemäß für die Beseitigung wohnnutzungswidriger baulicher Veränderungen.

 

Wie bereits in der Vergangenheit, räumt das Gesetz der Behörde umfangreiche Auskunfts- und Zutrittsrechte ein, um wohnzweckwidrige Nutzungen festzustellen. Hier sind nicht nur die Eigentümer verpflichtet, sondern auch die jeweiligen Mieter der betroffenen Wohnungen.

Auch wenn in vielen Veröffentlichungen zum neuen Berliner Zweckentfremdungsverbot auf dessen mögliche Verfassungswidrigkeit hingewiesen wird, so müssen sich Vermieter und auch Mieter damit abfinden, dass das Gesetz erst einmal wirksam ist. Selbst die Aufhebung der alten Zweckentfremdungsverbotsverordnung dauerte Jahre, da der Senat zum Schutze seiner Einnahmen, der Ausgleichszahlungen, alle Rechtsmittel ausgeschöpfte. Wenn in einigen Jahren das neue Zweckentfremdungsverbotsgesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben werden sollte, werden dann allenfalls Abgaben und Bußgelder zurückgewährt – zugunsten des Senats zahlbar und vollstreckbar bleiben diese aber unabhängig davon, ob ein solches Verfahren läuft.

 

Nicht zuletzt sei auf die zivilrechtlichen Folgen des Zweckentfremdungsverbotes hingewiesen. Wird eine Wohnung wohnzweckwidrig vermietet, kann der Mieter – nicht aber der Vermieter – fristlos kündigen. Dafür ist es nicht einmal notwendig, dass die Behörde die zweckwidrige Nutzung untersagt hat. Der Vermieter schuldet seinem ehemaligen Mieter dann Schadensersatz wegen Umzugs- und Umbaukosten, entgangenem Gewinn oder einer Mietdifferenz. Dies können ohne weiteres sechsstellige Beträge sein.

Gerade für Vermieter und ihre Hausverwalter wird das neue Zweckentfremdungsverbot eine Vielzahl neuer Probleme schaffen: wie vor 20 Jahren wird jede gewerbliche Neuvermietung von zu Wohnzwecken errichteten Räumen zu einem Glücksspiel:

  • Ist eine baurechtliche Umwandlung von Wohnraum in Geschäftsraum wirksam durchgeführt worden?
  • Ist die gewerbliche Neuvermietung noch als Geschäftsfortführung zu bewerten?
  • Wie weise ich meine Vermietungsbemühungen bei schwer vermietbaren Wohnungen nach?
  • Wie bestimme ich eine überwiegende Wohnnutzung bei Teilgewerblichkeit?
  • Wann ist die wirtschaftliche Existenz meines Gewerbemieters bedroht?

 

Eine Fehleinschätzung, kann sehr teuer werden – und sogar vor dem Strafrichter enden. Gute Gründe rechtzeitig anwaltlichen Rat einzuholen, vor der Vermietung!